Wie alt ist unsere Kirche? –   Der Versuch einer Datierung

Wie alt ist unsere Lixfelder Pfarrkirche? Eine Frage die viele schon gestellt haben und viele versucht haben zu beantworten. Doch nie waren die Antworten aus Chroniken, Urkunden und Untersuchungen im Umfeld der Kirche in den 1930er Jahren eindeutig oder nur so, dass sie als ungenau zu bezeichnen waren.

Als sich im Frühjahr dieses Jahres (2012) die Möglichkeit eröffnete etwas Licht ins Dunkel zu bekommen, nahm der Kirchenvorstand diese gerne an. Der Bauhistoriker Dr. Reck aus Wiesbaden stattete uns im Rahmen seiner  „Dokumentation über historische Dachwerke auf Kirchen in der EKHN“ einen Besuch ab. Er bestätigte einen sehr guten Substanzerhalt des Holzes aus dem schätzungsweise  15./16. Jahrhundert und die gute handwerkliche Arbeit der einheimischen damaligen Zimmerleute, was außergewöhnlich sei. Hierbei kam die Frage auf, ob eine genauere Datierung machbar wäre?

Er untersuchte ob es ginge, eine sogenannte „Dendrochronologische Datierung“ von Schiffsdachstuhl und Turmhelm zu erstellen. Die Dendrochronologie ist eine Methode mit Hilfe der Jahresringe des Holzes die Wachstumszeit und das Jahr der Fällung des Baumes zu bestimmen.  Laut Hr. Dr. Reck lag die Chance sehr hoch, genaue Erkenntnisse über das Alter des verwendeten Holzes für die Dachkonstruktionen zu erhalten und somit Rückschlüsse auf das Alter der Kirche zu ziehen. An vielen Sparren und Säulen war und ist das Holz vom Holzkern bis zur Rinde gut erhalten. Ideale Bedingungen um mit Hilfe der Jahresringe das Holz genau zu datieren. Dazu nahmen wir an mehreren Stellen im Schiff und im Turm Holzproben. Desweiteren wurde das  Gebälk oberhalb des Chorraumes untersucht.

Die Analyse des Holzes im Labor ergab demnach folgendes:

Das 100 bis 150-jährige Eichenholz für die Sparren des Kirchenschiffes wurde eindeutig im Winter 1470/71 und im Winter 1471/72 gefällt. Das Aufrichten des Daches erfolgte in der damaligen Zeit unmittelbar nach der Bearbeitung des Holzes (direkt nach dem Fällen) und dem Fertigstellen des Abbunds. Das dürfte im Sommer 1472 gewesen sein.

Aus der Analyse des Turmhelms kam heraus, dass die Hölzer dafür in den Wintern 1460/61 und 1461/62, also 10 Jahre zuvor, im heimischen Wald geschlagen wurden. Auch hier dürfte das Errichten des Turmes im Sommer 1462 erfolgt sein. Der Turm besteht u.a. aus einem langen, senkrechten großen Balken, der die tragende Säule des Turmes darstellt und vom Glockenstuhl bis in die Turmspitze reicht. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie viele Hundertschaften an Männern des Dorfes dazu notwendig waren diesen riesigen schweren Balken in luftiger Höhe aufzurichten und das ohne jegliche Hilfe wie Autokräne, wie wir sie heute zur Verfügung haben.

Beim Holz der Deckenbalken oberhalb des Chorraumes konnte die Fällung auf den Sommer 1458 datiert werden. Es spricht hier einiges dafür, dass Holz und Mauerwerk zur gleichen Zeit entstanden sind, da die Balken vom Mauerwerk umschlossen sind.

Weitere Deckenunterzüge konnten auf das Jahr 1835 datiert werden. Die Kirchenchronik berichtet übrigens für das Jahr 1835 über „eine Reparatur im Gebälk des Kirchturmes“, was mit der Analyse somit auch bestätigt wurde.

Zusammenfassend sagt das Gutachten aus, dass „somit keines der untersuchten Bauteile in die Zeit der Ersterwähnung der Kirche in den 1330er Jahren zurück reicht. Dennoch sprechen die Mauerstrukturen im Schiff als auch das Gewölbe im Chorraum für die Existenz von älterer Substanz im heutigen Bau. Im Sommer 1458 wurde mit dem Bau des Turmes auf dem (wahrscheinlich älteren) Chor begonnen. Die Weiterführung der Rohbauarbeiten kam schließlich mit dem Aufrichten des Turmhelmes im Jahr 1462 zu Abschluss. Es folgten die Eindeckung des Helmes, das Verputzen und der Abbau der Gerüste. Sofern der Chor tatsächlich älter als der Turm ist, hätte der Bau also von 1458 bis 1463 oder 1464 gedauert.

10 Jahre später war ein grundlegender Umbau des Schiffs möglich, bei dem die Umfassungsmauern des Vorgängers erhalten blieben. Das neue Dach wurde sehr wahrscheinlich im Jahr 1472 aufgeschlagen, worauf dann die Eindeckung der Dachflächen und der innere Ausbau folgten. Die Reparatur im Jahr 1835 hatte offensichtlich eine stärkere Unterstützung des Glockenstuhls im ersten Dachgeschoss zum Ziel.“

Das Gutachten ergibt nur eine genaue Datierung des Holzes und lässt somit keinen Aufschluss über das weitere Alter der Kirche oder Umbauten und dergleichen zu. Aber die Zeit bis Mitte des 15. Jahrhunderts kann nun an Hand wissenschaftlicher Daten gesichert zurückverfolgt werden und die Erkenntnis, dass eine Kirche in Lixfeld in der heutigen Form definitiv ab 1463, spätestens ab 1472 mit der (Neu)Errichtung des Schiffsdaches, bestanden hat.

War der Chorraum Teil einer alten Turmburg der Zent Lixfeld oder einer schon bestehenden Kirche aus dem 13./14. Jahrhundert oder noch älter? Von einem „pastor in Lykisuelt“ und einer Pfarrkirche bereits im Jahre 1334 soll zumindest in einer Urkunde berichtet sein. Darüber fehlen aber bis heute weitere handfeste Beweise und wissenschaftliche Erkenntnisse. An dieser Stelle tappen wir also weiter im Dunkeln…

Unsere Kirche hat mindestens die letzten mehr als 550 Jahre gut überstanden: Kriege, Stürme, Unwetterlagen und Notzeiten sind seitdem durchs Land gezogen und sie hat ihnen getrotzt. Immer wieder haben Menschen darin Schutz gesucht, sind dort ein und aus gegangen. Wünschen wir ihr, dass sie auch die nächsten Jahrhunderte weiterhin gut übersteht.

                                                    Christian Hoffmann (November 2012)